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21.11.2002:     POSTAL DO ALGARVE

 

Marika Raake ist eine deutsche Künstlerin die seit drei Jahren in Tavira lebt. Die Künstlerin stellt seit über 20 Jahren in Ländern wie Frankreich, Schweiz, Brasilien, Deutschland, Italien, Vereinigten Staaten, England und Portugal ihre Bilder und Exponate aus.

Die Malerin Marika Raake fühlt sich inspiriert in der Einsamkeit.

„Die Kunst bringt uns Freude und Farbe, macht uns glücklicher und toleranter“.

 

Interview: Cristina Mendonca

 

PA:        Wann haben Sie angefangen sich mit Malerei zu beschäftigen?

MR:        Ich habe immer schon gerne gemalt, aber seit ca. 30 Jahren nehme ich es ernsthafter. Ich arbeitete früher mit Kindern, ich war Erzieherin und täglich mit Kinderzeichnungen konfrontiert, die nach den Geschichten, die ich ihnen erzählte, entstanden. Das faszinierte mich und so habe ich angefangen während meiner Freizeit zu malen.

 

PA:        Was brauchen Sie eigentlich um eine Inspiration zu haben?

MR:        Wenn ich alleine und ruhig bin, fühle ich mich inspiriert, auch wenn ich verreise oder das Meer betrachte, da kommen mir immer neue Ideen zugelaufen.

 

PA:        Was sind die Themen die Sie gerne in ihren Bildern ansprechen?

MR:        Ich liebe es Katzen zu malen, Fische und Eulen und andere Tiere, sowie Menschen mit großen Augen oder Fabelwesen, die unsere Fantasie erregen. Die Tiere sind sehr wichtig für mich, sie sind Teil unseres Lebens, wie Bäume und Pflanzen. Es ist mein Wunsch, dass alle eine gesunde Beziehung zu Tieren und Pflanzen haben, das möchte ich auch den Kindern weitergeben.

 

PA:        Verstehen denn die Leute diese Botschaft?

MR:        So eine Botschaft kommt bei jedem anders an. Da ist die eigene Interpretation im Spiel. Es ist was Subjektives.

 

PA:        Wer kauft Ihre Gemälde?

MR:        Erst waren es nur Freunde, doch hier in der Algarve habe ich sowohl an Portugiesen als auch an Ausländer schon verkauft.

 

PA:        Wie definieren Sie die Kunst?

MR:        Die Kunst gehört zum Leben. Alle Völker haben durch Kunst ihre Kenntnisse, Gefühle, Technologie und Wissenschaft weitergegeben. Die Kunst bringt Freude und Farbe ins Alltägliche, macht uns glücklicher und toleranter.

 

PA:        Glauben Sie, dass die Kunst in Portugal gut beachtet und bewertet ist?

MR:        Ja. Ich habe viele Freunde die Kunst lieben und andere die Kunst machen. In Portugal gibt es viele gute Künstler wie Mario Botas, Alvaro de Mendonca, Bartolomeu dos Santos, und viele andere.

 

PA:        Wo haben Sie Ihre Werke schon ausgestellt?

MR:        In Ländern wie Frankreich, Schweiz, Brasilien, Deutschland, Italien,
USA, England und Portugal.

 

PA:        Ist es möglich als Künstlerin finanziell zu überleben, oder muss immer ein anderer Job dazu kommen?

MR:        Es ist schwierig nur von der Kunst zu leben, nicht nur in Portugal, auch in anderen Ländern, aber es gibt einige die es schon tun, obwohl ich nicht so viele davon kenne.

 

PA:        Was machen Sie am liebsten außer malen?

MR:        Ich fahre gerne mit dem Fahrrad, laufe am Meer entlang, unterhalte mich mit meinen Freunden oder beobachte das Leben auf den Strassen, wie zum Beispiel die herumstreunenden Katzen und Hunde.

 

PA:        Welche großen Namen der Bildenden Kunst sind für Sie ein Vorbild?

MR:        Ich bewundere Picasso, Max Ernst und, wie schon gesagt, Mario Botas, Goya, Henri Rousseau, Miro, unter vielen anderen.

 

PA:        Was ist das Schönste für Sie in der Stadt Tavira?

MR:        Ich mag diese Stadt sehr gerne, den Fluss, die Landschaft und die Menschen. Ich bin sehr froh seit drei Jahren hier zu leben.

 

PA:        Gibt es einen Traum den Sie gerne realisieren würden?

MR:        Schön wäre es Räumlichkeiten hier in Tavira zu haben, wo Ausländische und Portugiesische Künstlerinnen arbeiten und ausstellen können. Auch würde ich gerne mehr Bilder verkaufen um mehr zu verreisen und neue Kulturen kennen zu lernen.

 

 

1998:    Eine befreite Bildwelt

 

Malereien und Collagen von Marika Raake im Kulturamt Steglitz

 

„Wenn wir nicht mehr Kinder sind, sind wir schon gestorben“ meinte einst der berühmte Bildhauer Constantin Brancusi, dessen Atelier der Parisbesucher unmittelbar am Centre-Georges-Pompidou besichtigen kann. In diesem Sinne hat sich Marika Raake ihre Kindlichkeit bewahrt. Sie ist im Brancusischen Sinne voller Leben, sprüht vor Ideen und ihre Gestaltungslust kennt nur eine Grenze: der begrenzte Raum ihrer Atelierwohnung.

Die phantasievollen Arbeiten Marika Raakes lassen sich bei einer flüchtigen Betrachtung sehr schnell mit dem Verweis auf die Kinderzeichnung und die naive Malerei einordnen. Doch liegen ihre Arbeiten genau zwischen diesen Bildwelten.

Jean Piaget, der bekannte schweizer Psychologe, hat darauf hingewiesen, daß die kindliche Unmittelbarkeit ein Klischee ist. Nicht sei befangener, gebundener, festgelegter als eine kindliche Betrachtungsweise. Dementsprechend kann zwischen der Kinderzeichung und den Arbeiten von Marika Raake dahingehend unterschieden werden, daß die Künstlerin mit ihren Arbeiten keine kindlichen Gestaltmuster kultiviert. Vielmehr ist es ein gewisses Prinzip der Unvoreingenommenheit gegenüber gestalterischen Formen, Farben und Möglichkeiten, das ihre Werke besonders auszeichnet. In Marika Raakes Gestaltungen werden die Gesetze der Physik, alle logischen Vorstellungen von Konstruktion und Kombination, sie sowohl Schere im Kopf der Erwachsenen als auch Sargnagel jeglicher Kreativität sind, mit spielerischer Leichtigkeit außer Kraft gesetzt. Auch wenn das Schaffen der Künstlerin ein sehr wohl überlegter Vorgang ist, schließlich fertigt sie zu ihren Arbeiten Vorstudien an, verabschiedet sie sich auf der Bildfläche von dem Dogma der Ratio, des Bewußtseins. Vieles wird dann möglich. Das vermeintlich kindliche Gestaltungsprinzip kommt der Künstlerin in ihrem Schaffen also sehr entgegen. Doch es ist nur eine Anregung. Marika Raake imitiert nicht Kinderzeichnungen oder kindliche Zeichenstile. Das ist nicht ihr Ziel. Sie sucht nach Formen der Vereinfachung, nach einer ursprünglichen Bildsprache der Naivität, die sich unserer, so komplexen Vorstellungswelt stets von selbst verbietet, weil sie einfach zu einfach ist. Dennoch ist diese Naivität da und muß erst nur gefunden werden. In dem Sinne hat sich Marika Raake in ihrem Schaffen von den gedanklichen Schranken der erwachsenen Welt befreit. So läßt sich die Künstlerin auch von keinen so geläufigen ästhetischen Doktrinen beeindrucken. Der vermeintlich „gute Geschmack“ ist ihr unwichtig.

 

Nichts ist der Künstlerin zu unansehnlich als daß es nicht als ein Baustein zu einer Materialcollage verarbeitet werden könnte. Aus kleinen Parfumflakons fertigt sie ganz unbefangen das Bild der Familie Davidoff, die ihren Hund spazieren führt. Ein Backbrett verwandelt sich zum Bildträger und ein aufgefundenes Gitarrengehäuse gibt mit seinen Rundungen einer korpulenten Dame ihren Körper. Marika Raake nimmt die Gegenstände unserer alltäglichen Welt ernst und so können sie sich, auch wenn sie allzu tot erscheinen, zu lebendigen Geschichten verwandeln. Dabei fasziniert die Künstlerin besonders die mögliche Ironie, die diese Objekte in sich bergen, wenn sie zu Gestalten werden. Gerade der Witz und Spaß unterscheidet wiederum das Schaffen der Künstlerin ganz wesentlich von den bekannten Formen der Kinderzeichnung. Marika Raake kann mit oft komischen Elementen eine beeindruckende Distanz zu ihren Werken finden.

 

Das Verhältnis der Künstlerin zur naiven Malerei ist nicht weniger ambivalent wie das zur Kinderzeichnung. Formal gesehen entsprechen ihre Werke mit ihrer strengen Zweidimensionalität sehr wohl der Vorstellung der naiven Kunst. Allerdings weichen Marika Raakes Gestaltungen von dem beschaulichen und zufriedenen Darstellen einer idyllisierenden Idealisierung des Alltäglichen ab. Marika Raake gelangt in ihren Werken in eine Welt, die jenseits des Alltäglichen steht, die vielmehr träumerische Phantasien entwickelt und ein ganz geheimes Leben von Tieren, Pflanzen und anderen Fabelwesen entstehen läßt. In diesem Sinne sind ihre Arbeiten sehr wohl „surreal“, eine aus dem französischen stammende Begrifflichkeit, also in „sur“, d.h. „über“ dem Wirklichen stehend. In ihrer Zwischenwelt, zwischen Wirklichkeit und Traum, werden einfache Dinge kompliziert, scheinbar unlösbar, und die schwierigen Zusammenhänge lösen sich dagegen ganz von selbst. Fische überwinden problemlos ihr Atmungssystem und können nun mit dem Boot über das Wasser schaukeln. Flötende Vögel spazieren durchs Bild. In ihrer Unbeschwertheit erinnern sie schließlich die Künstlerin an die vergeistigt philosophierenden Protagonisten von Sans Souci, so daß Marika Raake diesen beiden heiteren Schwalben den Titel gab: „Voltaire und der alte Fritz“. Gerade diese phantasievollen Traumwelten stehen jenseits der Tradition einer naiven Malerei, wenn man zum Beispiel an die Werke von Henri Rousseau oder des armenischen Künstlers Pirosvami denkt. Doch ist Marika Raake nicht unbeeinflußt von Werken anderer Künstler. In einer ganzen Reihe von Arbeiten hat sie ihre Verbundenheit mit dem kolumbianischen Maler Fernando Botero zum Ausdruck gebracht. Dessen voluminöse Figuren schwingen in den Gestalten Marika Raakes noch nach. Während Botero jedoch zu gesellschaftskritischen Motiven gelangt sucht Marika Raake die freien Traumwelten beizubehalten und so verleiht sie ihren Figuren stets etwas überirdisches, das sie deutlich von jeder platten Realität abgrenzt. Marika Raakes persönliche Variation der Mona Lisa oder ihr Bild des Zauberers zeigen vielmehr sehr ehrenhafte, in das Reich des Göttlichen hinüberschreitende Gestalten. Ihre Variation einer Raffaelischen Madonna unterstreicht diesen Ausdruck.

 

So steht die Künstlerin mit ihrem Schaffen zwischen den Prinzipien der Kinderzeichnung und der Tradition einer naiven Malerei. Doch sind dies beides nur Fixpunkte, um ihr künstlerisches Gestalten besser verstehen zu können. Sie sind Marika Raake Voraussetzung, um sich im Gestalten von allen traditionellen Vorstellungen der Kunst und ihrer vermeintlichen Gesetze befreien zu können. Die Kinderzeichnung und die naive Malerei bieten der Künstlerin einen wichtigen Rahmen für ihre ganz eigene Unvoreingenommenheit und Vorurteilslosigkeit im bildnerischen Schaffen.